Das 6. internationale Ostseerennen
In diesem Jahr beteiligten sich zum sechsten
Ostseerennen 327 Züchter mit insgesamt 965 Tauben. Besonders freute sich der
Veranstalter über die ausländischen Teilnehmer aus Belgien, Holland, Schweiz,
Dänemark, Schweden Österreich und Teneriffa. Für eine optimale Gesundheit der
beteiligten Tiere sorgte Tierarzt Dr. Matthias Warzecha aus Oering. In diesem,
in mancher Beziehung recht konfusem Jahr, war auch dieser sehr beliebte
Jungtaubenflug überschattet von Unvorhersehbarkeiten.
Hilflosigkeit
Da steht man als Veranstalter einer der größten
deutschen Tribünenflüge machtlos vor einem Problem, für das man eigentlich
keine Erklärung findet. So geschah es am 14. September im ostholsteinischen
Neustadt, als rund 1000 angereiste Gäste, die Ankunft der rund 400 eingesetzten
Tauben des 6. internationalen Ostseerennens verfolgen wollten. Die Tiere wurden
an diesem Morgen um 10.10 Uhr im niederländischen Apeldoorn (400 km) gestartet.
gesamte Flugstrecke wurde eine günstige Wetterlage vorhergesagt, besonders
norddeutsche Raum erstrahle an diesem Tag im puren Sonnenschein. Nichts deutete
auf einen schlechten Flugverlauf hin, so dass bedenkenlos das Startzeichen
erteilt werden konnte. Niemand hatte zu diesem Zeitpunkt mit schlechten
Flugverlauf gerechnet, und erst recht niemand hätte es verstanden, wenn man den
Auflass verschoben hätte.
Ein typischer „Verkrachter“
Am 14. September 2002 standen in verschiedenen
Regionen unseres Landes letzten Jungtaubenflüge, insbesondere Tribünen- und
Sonderflüge auf dem Flugprogramm. Fast überall in der Bundesrepublik gab es
regelrechte Katastrophenflüge. Erfahrene Auflassleiter mussten plötzlich
gravierende Niederlagen hinnehmen. Am gleichen Tag wurden 626 Tauben des
„UplandDerbys“ im 440 km entfernten Basel gestartet. Nur acht Jungtauben
erreichten sauerländische Schlaganlage am Auflasstag. Magisch war vielleicht
die Zahl „8“ an diesem Tag, denn auch nur acht Tiere des Ostseerennens
schafften es bis Neustadt. Bis 17.15 Uhr am zweiten Flugtag erreichten nur 49
Jungtauben ihren Schlag. In den Folgetagen kamen nur noch wenige Tiere nach.
Die Sieger
1. SG Paul Idas und Kete, 17.35 Uhr, 1003 m/M
2. Kreutzfeldt Uwe, 18.04 Uhr, 954 m/M
3. Fiebich Reinhold, 18.04 Uhr, 954 m/M
4. SG Bebensee, 18.04 Uhr, 954 m/M
5. Team Ammelshain, 18.04 Uhr, 954 m/M
6. Kleemund Ernst, 19.07 Uhr, 863 m/M
7. Gebrüder
Sandeck, 19.11 Uhr, 859 m/M
8. Behrens Friedhelm, 19.34 Uhr, 830 m/M
9. Brumm Peter, 7.45 Uhr
10. Bobzin
Erhard, 7.55 Uhr
11.Team Egge-Ost, 8.23 Uhr
12. Neuschwander
Robert, Schweiz, 8.40 Uhr
13. Pfliegner
Hans-Joachim, 8.46 Uhr
14. Lunau Günter, 8.52 Uhr
15. Pfliegner
Eckhard, 8.52 Uhr
Glückliche Gewinner
Mit fast 30-minütigem Vorsprung gewann die
Schlaggemeinschaft Idas Paul und Kete das diesjährige Ostseerennen. Damit
gewann der Hamburger Spitzenschlag einen Mercedes-Benz (A-Klasse) im Wert von 18
000 Euro. Der Name Paul Idas ist seit vielen Jahren präsent für enorme
Spitzenpreise und vorderste Platzierungen auf Bezirks- und Bundesebene. Ob
Verbands- und Weitstreckenmeisterschaft, As-Taubenwettbewerb oder Verbandsjungtaubenmeisterschaft,
überall hat der Schlag Idas Akzente setzen können. Die diesjährige
internationale Siegertaube des Ostseerennens mit der Ringnummer 0629-02-960,
gewann diese Ausnahmeleistung mit halbstündigem Vorsprung.
Ein Sieger von edler Abstammung
Eine derartige Spitzenleistung zu erringen, zeugt von enormer Leistungsfähigkeit und Willen. Gerade auf den schweren Flügen filtern sich die besten Tiere heraus. Die „960“ wurde gezüchtet aus dem 00-594 von Sportfreund Meier aus Rahden. Sein Vater ist der B-98-6523224 von Dirk van Dijk, er ist ein Sohn des Kannibaal (1. As-Taube KBDB). Mutter des „594“ ist die Koopmantäubin NL-95-550 1257. Die „257“ stammt aus „De Erik“ (Janssen x Van Loon) und „Cornelia-Moeder“ (orig. Koopman). Mutter der Ostsee-Siegertaube ist die 097 11 -96-622, ihr Vater ist der Belg-92-201752 1, ein Vollbruder zu „Maes I von Karl Schellens. Mutter der „622“ ist die Belg-88-6069530 und stammt aus einer Schwester des berühmten „Nationale I“ von Schellens.
Das Interview mit Harry Gerrits
Herr Gerrits, wie entstand die Idee des
Ostseerennens?
Im Jahr 1996 bin ich von Sportfreunden nach Sylt zum
Nordseerennen eingeladen worden. Das Rennen mit samt seinem ganzen Drum und Dran
hat mich von Anfang an begeistert.
Die familiäre Atmosphäre und die
vielen neuen Bekanntschaften, die bei solch einer Veranstaltung entstehen,
findet man heutzutage leider nur noch ganz selten.
Außerdem finde ich es sehr aufregend, sich mit
anderen Sportfreunden aus Ausland messen zu können.
Daher verkündete ich den
Sportsfreunden, die sich auf Sylt versammelt hatten, dass ich im Jahr 1997 ein
Ostseerennen veranstalten würde. Und so entstand die Idee!
Am nächsten Tag wieder in Neustadt, ging ich gleich
an die Arbeit.
Etliche Sportsfreunde haben mich
bei der Organisation und dem Schlagbau unterstützt. Wir haben damals gerätselt,
wie lang wir die Schlaganlage bauen und rechneten mit einer Beteiligung von ca.
500 bis 600 Tauben.
Daraufhin bauten wir eine Schlaganlage von 30 Meter Länge.
Wie sich später herausgestellt hat, war das viel zu wenig.“
Das Ostseerennen gehört mittlerweile zu den größten
deutschen Tribünenflügen. Jedes Jahr werden mehr Tauben angemeldet, als Sie überhaupt
annehmen können. Wodurch entstand diese enorme Popularität?
„Wie es zu dieser Popularität
gekommen ist, kann ich auch nur schätzen.
Vielleicht liegt es an der schönen Lage und der
herrlichen Luft, die wir hier in Neustadt/Holstein an der Ostsee haben.
Vielleicht liegt es aber auch ein wenig an meiner eigenen Person. In jedem Fall
gebe ich mein Bestes, um jeden Züchter, ob alt oder jung, ob Frau oder Mann, ob Ausländer oder Inländer,
gleich zu behandeln.
Jeder Züchter, der seine Tauben
anliefert oder einfach mal zwischendurch vorbeischaut, weiß, dass er/sie
jederzeit auf eine Tasse Kaffee und einen Klönschnack eingeladen ist. Es liegt
einfach in meiner Mentalität, als gebürtiger Holländer zu wissen, dass, wenn
man etwas von einem Sportsfreund möchte, man auch für diesen Zeit haben muss.
Außerdem macht es mir jede Menge die verschiedenen Züchter näher kennen zu
lernen.“
Was motiviert die Züchter, jedes Jahr nach Neustadt zu kommen?
„Zum größten Teil habe ich diese Frage schon
in den vorigen Fragen beantwortet.
Allerdings denke ich, das liegt auch mit an dem
Ambiente, was wir an unserem Festwochenende haben. Mir liegt viel daran, den
Besuchern so viel Annehmlichkeiten wie möglich zu bieten. Zum Beispiel den
Fahrservice zwischen Hotel und Ostseehalle, den ich jedes Jahr anbiete. Genauso
versuche ich, jedes Jahr die gleichen Gesichter im Team zu haben, ob es die
Kellner oder die Tresenbedienungen sind. Nicht zu guter letzt organisiere ich
noch auf die
Schnelle eine Unterkunft für die Züchter, die keine
Hotels mehr bekommen haben. In diesem Jahr beispielsweise habe ich einige noch
in Büroräumen und im hinterem Teil der Halle unterbringen können.“
Wenn man in der Saison 2002 Ihre Internetseite
(www.Ostseerennen.de) verfolgt hat, dann konnte man sich nur wundern, wie
topaktuell und umfangreich alle relevanten Daten zur Verfügung gestellt wurden.
Wie schafften Sie es, so zeitnah die Flugdaten der Vorflüge zu veröffentlichen?
“Auf diesem Gebiet habe ich leider nicht so
viel Ahnung, daher kann ich diese Lorbeeren nicht einstecken. An dieser Stelle möchte
ich mich nochmals herzlich bei meinen Mitarbeitern und Taubenfreunden bedanken,
die mir dabei behilflich waren und auch hoffentlich weiterhin sein werden.
Das diesjährige Rennen entwickelte sich zum
regelrechten Katastrophenflug. Fast überall in Deutschland verlief das
Flugwochenende sehr schlecht und war von hohen Verlusten geprägt. Es war
sicherlich auch ein typischer “Verkrachter“, wie man es oft im Reisejahr
2002 erlebt hat. Trotz eigentlich guter Wetterbedingungen kamen die Tauben nicht
nach Hause. Bitte schildern Sie den diesjährigen Flugverlauf aus Ihrer Sicht!
Nach sechs Wochen ausschließlich Sonnenschein, waren
wir guter Hoffnung, dass das ein optimaler Flug wird, aber leider trat das
Gegenteil ein. Trotz des Wetterumschwungs war ich immer noch optimistisch, dass
die Tauben gut nach Hause kommen würden.
Der Start in Holland war auf jeden Fall gut. Es war
zwar etwas bewölkt, jedoch, laut Fahrer, hingen die Wolken sehr hoch und
zwischen drin waren blaue Stellen zu sehen. Bei normalem Nordwest-Wind hätten
die Tauben in ca. 5 Stunden den Heimatschlag erreichen können. Allerdings
drehte der Wind später auf Nord-Nordwest und nahm an Stärke zu. Um ca. 15.00
Uhr hatten wir am Heimatschlag Windstärken von 7-8, so dass die Tauben keine
Chance hatten, um die Lübecker Bucht zu kommen. Die Tauben wurden Richtung
Dresden/Berlin getrieben, woher am nächsten Tag auch einige Meldungen kamen.
Mit den hohen Verlusten, die bei den starken Nord- Westwinden entstehen, hat
auch die RV-Ostholstein jedes Jahr zu kämpfen.
Der starke Wind und der Regen hielt noch einige Tage
an, so dass die meisten Tauben leider nicht die Möglichkeit hatten, den
Heimatschlag zu erreichen.
Was empfindet man als Veranstalter einer der größten
Tribünenflüge, wenn der Endflug daneben geht?
Nach fünf Monaten harter Arbeit und Teamwork möchte
man am liebsten alles hinschmeißen. Man wird überwältigt von Mutlosigkeit,
Schlaflosigkeit und Trauer.
Wenn man ein Tierfreund ist und 30
Jahre und lang Tauben züchtet, dann kann mir kein richtiger Taubenzüchter erzählen,
dass das spurlos an einem vorbei geht.
Man macht sich viele Gedanken, aber etwas an der
Situation ändern kann leider nicht. Ich hoffe nur, dass so ein Flug nie wieder
statt finden wird (auch im Namen aller Züchter).
Um dem Zufall entgegenzuwirken und das Rennen
international anzupassen, garantiere ich ab dem nächsten Jahr 120 Preise. Die
Preise bestehen unabhängig davon, wie viele Tauben an den Start kommen. Sollten
nicht alle Preise ausgeflogen werden, werden
sie automatisch auf das nächste Jahr übertragen.“
Kann man aus diesem unglücklichen Verlauf
Lehren ziehen?
„Nach meiner Erkenntnis nicht.
Das war einfach höhere Gewalt. Ich kann nur eine optimale Versorgung und eine
gute tierärztliche Betreuung (wie durch Dr. Warzecha) garantieren. Mehr steht
leider nicht in meiner Gewalt.
Jeder Züchter, der mich persönlich kennt, weiß,
dass ich mein Bestes gebe, um ein gutes Rennen durchzuführen. Über die
Schlaganlage und den guten Zustand der Tauben können sich alle Züchter
jederzeit selber ein Bild machen.“
Wie bereiten Sie Sich auf das Rennen im nächsten
Jahr vor?
“Auf einen Katastrophenflug, wie in diesem Jahr,
kann man sich nicht vorbereiten! Ich kann nur hoffen,
das wir im nächsten Jahr mehr Glück haben und sich so ein Ereignis nicht
wiederholt. Allerdings bin ich für gute Vorschläge immer offen. Beispielsweise
haben mir einige Züchter vorgeschlagen, den Taubenschlag zu verdunkeln, was
bewirkt, dass die Tauben beim Endflug einen besseren Feder- und Flügelstand
aufweisen. Als ich selber noch aktiv in der RV Ostholstein mitspielte, habe ich
gute Erfahrungen damit gemacht. Daher werde ich dieses Prinzip im Jahr 2003 auch
durchführen. Ich hoffe nur, dass die Taubenzüchter die Hoffnung und das
Vertrauen in mein Ostseerennen nicht verloren haben. Den Mitwirkenden kann ich
nur mein Versprechen geben, dass auch im Jahr 2003 wieder alles geben werde, was
in meinen Kräften steht, um ein gutes Rennen zu liefern.“
Wird es Änderungen in der Veranstaltung des
Rennens geben?
“Soweit wird es keine großen Veränderungen in der
Durchführung des Ostseerennens geben. Einzig die Preisverteilung wird anders
gestaltet, so dass es eine bessere und fairere Verteilung der Preise gibt.“
Ich wünsche Ihnen alles Gute für das nächste
Rennen und bedanke mich für das Gespräch.
Rolf Schlömer